Val d’Ambiez – Brenta Dolomiten

Hoch zum Rifugio Agostino

Trekkingrouten, die sich unterwegs spontan verändern lassen, sei es, weil die eigenen Kraftreserven falsch eingeschätzt wurden, sich das Wetter verändert, oder die Idee aufkommt, noch ein paar Schleifen dran zu hängen, sind einfach optimal.

In den Brenta Dolomiten, einer äußerst reizvollen Naturregion, finden wir so eine Route, nämlich die durch das Val d’Ambiez. Wir können vor Ort entscheiden, ob wir verlängern oder abkürzen.

Startpunkt ist der kleine Ort San Lorenzo, in der Nähe des Molveno Sees, den wir passieren und im Vorbeifahren als grandios empfinden.

Unsere Wanderroute hat einen Höhenunterschied von guten 1.500 Metern zu bewältigen. Da wir die Zeitdauer unserer Wanderung schlecht einschätzen können, das Gelände kennen wir noch nicht und präzise Hinweise auf das heutige Wetter fehlen, überlegen wir uns, eine Besonderheit der Lokalität zu nutzen, den Jeepshuttle. Die ersten 950 Meter Steigung können per Jeep bewältigt werden, die restlichen 600 Meter steigen wir hinauf. Den Rückweg machen wir per pedes, es sei denn, Unwetter kommen uns in die Quere.

In San Lorenzo finden wir den Halteplatz des Taxiunternehmens, nah bei der Kirche.

Wir haben Glück, Giorgio steht mit seinem Jeep, der wie ein fernöstliches Sammeltaxi organisiert ist, zur Abfahrt bereit. Wir reservieren 2 Sitzplätze und fahren mit dem eigenen Wagen weiter zum 2 km entfernten Parkplatz in Baesa, dem eigentlichen Start- und Endpunkt der Tour, neben dem Rifugio Dolomiti. Unser Auto dort zu parken macht Sinn, wir brauchen dann keinen weiteren Fremdtransport, um wieder wegzukommen.

Giorgio erscheint pünktlich. Wir 8 Passagiere sortieren uns in den Geländewagen, 10 € pro Person zahlen wir für 1 Strecke. Das ist kulant, es hätten auch erheblich mehr sein können. Italien ist kein Billigland. Dann brummen wir los, steile, enge Wege, holperig, mitunter mit Schütteleffekten. Kennen wir ähnlich aus Nepal, allerdings dort aus Fahrzeugen, die einige Fahrzeuggenerationen älter sind. Dieser Jeep hat erstklassige Stoßdämpfer, eine Lenkung, die greift und Reifen mit dem Profil eines kantigen Bergsteigers.

Nach 25 Minuten, durch Schluchten und über Stock und Stein, haarscharf an schroffen Felswänden vorbei, erreichen wir den Jeep-Halteplatz am Rifugio Al Cacciatore. Eine große Hütte, vor großartiger Kulisse auf 1.820 Meter Höhe. Von hier aus wird gewandert.

Der Weg bietet 2 Optionen:

Einen breiten Schotterweg, der langsam ansteigt, und einen Pfad, der links steiler in den Berg führt, der Weg Nr. 325. Für den entscheiden wir uns. Wie übrigens auch 2 Italienerinnen, die vor uns hinauf hechten und es gleichzeitig schaffen, ihre Unterhaltung in höchstmöglicher Dezibelstärke fortzusetzen. Eine Karte brauchen wir eigentlich nicht, wir können uns ganz einfach per Gehör orientieren. Wer diese Route ohne Sirenbegleitung macht, sollte auf den Abzweig achten, der zum Fossilienfriedhof führt. Der Exkurs ist ausgeschildert, dauert aber wenigstens weitere 40 Minuten plus Besichtigungszeit. Wir passieren diese Stelle, befürchten, dass uns am Nachmittag die Zeit fehlen wird.

Ökonomisches Atmen schlägt hochdezibeliges Quatschen. Wir haben mehr Luft oder Kraft, vielleicht auch beides, und überholen die Italinerinnen. Schaffen es sogar, die Distanz zwischen ihnen und uns so zu vergößern, dass wir das Schweigen der Berge genießen können. Die Ausblicke sind gnadenlos schön. Vor allem dort, wo unser Ziel liegen soll, die Agostini Hütte. Dahinter türmen sich die schroffen Felsen mächtig in den immer noch stahlblauen Himmel, majestätisch wirkt das und dramatisch zugleich. Irgendwann lassen wir die Baumgrenze hinter uns, wandern den Pfad, der sich jetzt zickzack nach oben schlängelt, immer weiter hinauf. Die Hütte können wir bereits sehen, auch die kleine Kapelle auf der Zinne ihr gegenüber.

Der Weg ist für normal trainierte Wanderer gut machbar.

Technische Schwierigkeiten gibt es hier nicht. Nach 1 Stunde 30 Minuten kommen wir am Rifugio Agostino an. Höhe: 2.410 Meter, ein mittelgroßes Steingebäude über 2 Stockwerke und einer Terrasse an der Sonnenseite, mit Blick zurück ins Tal. Das schöne Wetter hält noch an. Wir belohnen uns mit Kaffee, Kuchen und Apfelschorle, erkunden auch die Umgebung.

Sehenswert sind die Riesenbrocken hinter dem Haus, Felsteile, die am 18.Juli 1957 aus der gewaltigen Wand herausgebrochen sind und bei ihrem Sturz in die Tiefe auf wundersame Weise kurz vor der Hütte zum Halt gekommen sind.

Nach unserer kurzen Rast machen wir uns auf den Rückweg. Inzwischen sind auch die anderen Leute aus dem Jeep eingetroffen. Man grüßt sich, uns zieht es hinab, der Himmel trübt sich ein. Der Schotterweg, den wir jetzt nehmen, hat es in sich.

Abstiege sind meist ja fordernder als der Anstieg

…. und wenn, wie hier, beweglicher Untergrund hinzu kommt, heißt es doppelt sorgfältig zu wandern. Zum ersten Mal setzen wir unsere Stöcker ein, mehr, um den Weg abzutasten, als dass wir uns stützen. Egal wie schnell wir sind, den Wolken über uns entkommen wir nicht. Die Felsberge hinter uns sind bereits hinter Nebel verschwunden, dunklere Stellen zeigen, da kommt Regen auf. Bis zur Hütte, wo uns der Jeep abgesetzt hatte, brauchen wir 1 Stunde 15 Minuten. Es nieselt berets, wir stellen uns unter. Den Berggöttern sei Dank, der Niederschlag verzieht sich relativ zügig. Zeit für die nächste Phase des Abstiegs. 600 Meter haben wir bereits geschafft, fehlen noch gut 900.

Wir folgen der Straße, biegen dann aber bei den Wegweisern nach rechts auf einen Wanderpfad. Auf einer Alm wird es unübersichtlich, der Weg scheint in einer Sackgasse zu enden. Ein junger Mann, Hirte, Senner oder Käsemacher, wer weiß das schon so genau, den wir aus dem Schlaf holen, zeigt uns, wie es weiter geht. Einfach gerade aus, über die Wiese auf den Wald zu. Dort ist der Pfad wieder gut ausgezeichnet.

Nach einer weiteren halben Stunde treffen wir auf die Straße, die wir weiter wandern. Die schönen Aussichten haben wir jetzt im Rücken, so dass wir immer wieder anhalten, um uns von den Bergen zu verabschieden. Bis zum Parkplatz brauchen wir, gerechnet vom Zwischenhalt Al Cacciatore insgesamt 1 Stunde 45. Gut, dass wir hier unseren Wagen haben, der lange Abstieg macht sich in den Muskeln bemerkbar.

Die wichtigsten Angaben zu dieser Tour noch einmal auf einen Blick:

  • Gesamtdauer, Netto ohne Pausen: 5 Stunden
  • Höhenunterschied nach oben: 600 Meter (dank Jeepshuttle)
  • Höhenunterschied nach unten: 1.560 Meter
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Erlebnisfaktor: hoch

Wie wir hierher gekommen sind und was uns sonst noch aufgefallen ist.

Weitere Tourern findet Ihr hier:

Val di Non/TrentinoDolomiten Rundfahrt, Trekking in Italien

 

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