Fischland-Darß-Zingst-1

Dieser Reisebericht entstand nach einer Pressereise zu der die Tourismusverbände von Mecklenburg-Vorpommern und Fischland-Darß-Zingst eingeladen hatten. Für die Berichterstattung wurden keinerlei Vorgaben gemacht.

Mit Insidern unterwegs

Das Angebot, begleitet von Insidern, mehr von dieser Region kennenzulernen, die bereits beim ersten Besuch Lust auf mehr gemacht hatte, lässt sich einfach nicht ausschlagen. Natürlich ist es verlockend, wenn der Gastgeber Planung und Organisation übernimmt. So wie wir es tun, wenn Freunde uns besuchen. Das macht Spaß und was wir erleben, lässt sich gut weitergeben für andere, die das Rad nicht selbst erfinden wollen, sondern sich durch unsere Erfahrungen inspirieren lassen.

Ein Gebiet wie die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst mit Umgebung wirkt auf den ersten Blick überschaubar. Aber wer genauer hinschaut merkt, da steckt viel mehr drin. Da macht es Sinn, die Route klug zu überlegen oder themenbezogen unterwegs zu sein.

Am Anfang unserer Reise steht die Kunst und nicht der Strandkorb. Selbst wenn man sich wie ein Windflüchtiger zurücklehnte, Kultur ist in der Region nämlich so allgegenwärtig. Geflissentliches Übersehen funktioniert kaum. Hinzu kommt, Kunst ist hier keine trockene akademische Sache sondern Teil des Alltags, etwas was Freude macht und begeistert.

Wir sind in Ahrenshoop, auf der Verbindung der Halbinsel Darß zum Festland …

…. wo früher die historische Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern verlief. Die geografische Lage, eine gnadenlos einnehmende Landschaft – auf der einen Seite Ostsee, auf der anderen der Bodden – beschert der Region eine Besonderhei., Die ist für Kunstschaffende ideal: Natürliches Licht, reflektiert von den Gewässern. Dieses Phänomen, in Verbindung mit preiswerter Infrastruktur, sorgte dafür, dass sich hier vor rund 125 Jahren Landschaftsmaler niederließen und die Künstlerkolonie begründeten. Die heimischen Bauern und Fischer akzeptierten die Belebung durch diese Zuwanderer. Das daraus erwachsende Interesse ging sogar soweit, dass noch heute hochbegabte Laien auf ihre Weise die Tradition der Landschaftsmalerei fortsetzen.

Etwa Hans Götze, fleischgewordene Verschmelzung aus Bürgermeister und Künstler, der uns auf dem bemerkenswerten Ahrenshooper Kunstpfad begleitet. Vorbei an sehenswerten Häusern mit Rohrdach, so nennen sie die Reetbedeckung hier, bringt er uns zu den Punkten, wo die Aussichten am Prächtigsten sind. Und die findet man direkt an der Küste: Strand, mit seiner typischen Vegetation, schroff aufragende Felsen vor hinreißenden Horizonten. Hier bei Sonnenauf- oder -untergang zu verweilen, hat fast schon therapeutische Wirkung und entspannt Seele und Leib. Erstaunlich auch, wie der Kunstpfad, durch Präsentation von Repliken der Gemälde. Exakt dort, wo der Maler vor ‘zich Jahren seine Perspektive gefunden hat. Das schafft, die Bilder zum Teil unserer Gegenwart zu machen, vielleicht sogar unsterblich.

Ist der weise Erklärer Hans Götze mal nicht vor Ort, holt man sich im Fremdenverkehrsamt gratis die Umgebungskarte, die alle markanten Punkte verzeichnet und zieht los. Vielleicht auch mit Block und Bleistift, als Alternative zum schnellen Foto, weil Zeichnen viel spannender ist als digitale Momentaufnahmen und es Bewunderung erzeugen kann, oder schallendes Gelächter.

Ortswechsel, aber wir bleiben unserem Thema treu ….

… denn das beschauliche Zingst, am anderen Ende des Boddens, hat ebenfalls eine Menge zu bieten: Landschaft, Flair und zeitgenössische Kunst, die oft digital, gerne auch gegenständlich daherkommt. Keine Frage, was uns hier erwartet sind keine kulturellen Eintagsfliegen. Am Max Hünten Haus treffen wir Lars Heidemann, Mitarbeiter im Bereich Fotografie. Heute unser Guide auf einem ganz speziellen Kunstpfad, auf den er uns vorbereitet. Doch zunächst schauen wir uns in der Einrichtung um, übrigens nicht nur ein Tipp für Regentage. Hier dreht sich alles um das Thema Fotografie: beeindruckende Vernissagen, eine gigantische Bibliothek an Fotobüchern, ein hochwertig ausgestattetes Printstudio und schließlich das Equipment: hochwertige Kameras, Ferngläser, Objektive, Spektive. Alles was das Fotografenherz begehrt kann nicht nur angefasst, sondern auch ausgeliehen werden und das kostenlos, bis zu 3 Tage!

Bereit, jederzeit ein Meisterfoto aufzunehmen, spazieren wir durch Zingst, das auch ohne die anlässlich einer Kunstaktion installierten Objekte recht einnehmend wirkt. Besonderer Anlaufpunkt ist der Boddenhafen. Dort starten die Boote ins Vogelschutzgebiet, Touren, die sicher lohnen, aber dafür fehlt heute die Zeit. Schmucke Häuser, Anlegestellen, Stege, Boote und Möwen verdichten sich in Zingst zu dieser typisch maritimen Atmosphäre, die sich förmlich einatmen lässt und natürlich fotografieren.

Die Ostseeseite komplettiert das Bild.

Wie die meisten Besucher steuern wir die Wasserkante zuerst über eine Seebrücke an. Dort, an der Spitze, wo das Auge ungehindert übers Meer in die Ferne blicken darf, stellt sich echtes Seebären-Feeling ein, ohne das Risiko, seekrank zu werden.

Sehenswert ist der breite Strand. Kilometerweit in beide Richtungen weißer Sand, gesäumt durch plätschernde Dünung zur einen und Strandgräser zur anderen Seite. Schnell lassen sich die künstlerischen Blickfänger ausmachen, die spiegelnde Silhouette auf der Buhne oder die gigantische Sonnenbrille. Attraktionen, nicht nur für Fotografen, sondern auch für Kinder, die solche “Spielzeuge” zum ersten Mal in freier Natur entdecken. Ob unsere Fotos einmal Meisterwerke sein werden, wird zuhause geprüft, die Speicherkarte aus der Kamera darf man behalten.

Der Grad zwischen Kunst und Handwerk ist ein schmaler. Jedenfalls hier im Fischland-Darß-Zingst und ganz speziell im Nachbarort Prerow, wo eine Tradition von Haustüren so intensiv gepflegt wird, dass man fast schon von einem NaTÜRschutzgebiet sprechen könnte. Wer mehr über diese Markenzeichen der Region, die Darßer Türen, erfahren möchte, besucht am besten die Kunsttischler Rene und Dirk Roloff, oder besorgt sich das Büchlein von Braun/Roloff aus dem Thomas Helms Verlag.

Das Handwerk hat seit dem frühen 19. Jahrhundert eine besondere Bedeutung …

… für die Region und viel mit der Seefahrer- und bäuerlichen Historie des Darß zu tun. Sie gefällt uns persönlich vor allem wegen ihrer markanten Bildsprache, die ihre Symbole und Ornamente aus Glauben, Aberglauben und Überlieferungen herleitet. Die Produktion der Türen ist aufwendig; jedes Stück wird individuell nach den Vorstellungen der Kunden gefertigt und hatte damals wie heute ihren Preis. Häuser mit einer Darßer Tür stehen sowohl für stilsicheren Geschmack als auch für Wohlstand.

Ausgerüstet mit einer Karte der Standorte oder einem kundigen Führer empfehlen wir Besuchern das “Tür-Spotting”, die Schnitzeljagd nach bestaunenswerten Darßer Türen. Zu Fuß oder gemütlich per Kutsche, beides hat seine Vorteile, entdeckt man den Ort am besten über die Achse “Grüne Straße” mit diversen Seitenwegen. Wer alte Häuser liebt, ihre Architektur, die frischen Farben und natürlich die Schmucktüren, ist in Prerow goldrichtig.

Goldrichtig liegt auch Ribnitz-Damgarten, die Kleinstadt, die mit dem “Gold der Ostsee”,

dem Bernstein glänzt. Ein wenig nostalgisch wirkt sie ja schon, die Handwerkskunst um den Schmuckstein, aber was wirklich neugierig macht ist, dass es hier ein spezielles Museum gibt. Nicht irgendeines, das verstaubt die Jahre überdauert hat, sondern immerhin das Deutsche Bernsteinmuseum: Klassizismus in schimmerndem Gewand möchte man sagen, schon deswegen, weil seit 2010 das Klarissenkloster einbezogen ist.

Vorher lassen wir uns allerdings noch auf eine kleine Zeitreise durch das alte Ribnitz-Damgarten entführen. Dazu treffen wir die Stadtarchivarin Jana Behnke, die uns in der historischen Alltagskleidung einer original “Fischlännersch” erwartet und auf ihre humorvolle Art, authentisch Geschichte und Geschichten vermittelt, ohne dabei belehrend zu wirken.

Auf dem Fußweg zum Museum passieren wir etliche Schmuckläden …

…. die sich auf Bernstein, gefasst in Edelmetall, spezialisiert haben. Die Auslagen reichen von Andenkenkitsch bis zum teuren Einzelstück und werfen mehr Fragen auf als Antworten. Die kann uns Henning Schröder geben, Letzter einer Zunft von Handwerkern, die es selbst nur noch als Fossilien gibt, er ist Bernstein-Drechslermeister. Zu behaupten, es gäbe etwas zum Thema Bernstein, was er nicht weiß, wäre untertrieben, er weiß sogar noch mehr. Der Rundgang mit ihm ist spannend, so wie die Exponate in den Vitrinen. Angefangen bei Fundstücken im Rohzustand, die sich heute noch am Strand der Ostsee finden lassen, wenn man denn erkennt, was da vor einem im Küstenschlick liegt, über Arbeiten in höchster Qualität aus vielen Epochen, bis hin zu seltenen Schaustücken mit eingeschlossenen Pflanzen und Tieren ist hier alles zu finden. Ostseegold, zwischen Jurassic Park und Bernsteinzimmer.

Dann führt uns Henning Schröder in die oberste Etage, wo die Werkräume sind.

Hier darf jeder der Lust hat, Bernstein bearbeiten und seinen eigenen Anhänger fertigen, viel günstiger übrigens als das, was in den Läden liegt und individueller. Das unbearbeitete Stück darf man sich selbst aus einem Kasten heraussuchen, aber welches? Es soll schon vorgekommen sein, dass Besucher einen Rohling finden, der beim Schleifen als wertvollen Inhalt ein vollständiges Insekt oder eine seltene Pflanze enthüllt. Alles ist möglich, so wie ja auch ein Lottospieler mal den Jackpot gewinnt. Qual der Wahl beim Wühlen im Kasten. Das Mantra “nicht ich finde den Stein sondern er mich” hilft ein wenig beim Entscheiden. Mein Stein, ich nenne ihn spontan „Bernie“ wirkt zwar sympathisch, aber er ist keine mineralogische Wundertüte mit Einschlüssen. Dafür fühlt er sich nach dem Schleifen mit Schmirgel und dem Polieren gut an und macht mit schwarzem Lederband am Hals eine gute Figur. Bernie wird künftig nicht mehr abgelegt und soll natürlich fortan Glück bringen.

Kunst vom Feinsten als Teil des regionalen Alltags, moderne Kultur, ehrwürdige Handwerke, ein güldener Bernie am Band, keine schlechte Ausbeute für einen Besuch im Fischland-Darß-Zingst, das für viele im Liegestuhl am Strand beginnt und endet. Aber, da geht noch mehr, im Teil 2 des Berichts.

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