Naxos, der Norden

Der „Norden“, das klingt kühl und rau

Aber vergessen wir nicht, geografisch betrachtet liegt diese Region von Naxos immer noch südlicher als etwa das italienische Palermo oder fast so südlich wie die lykische Küste in der Türkei – und ja, es kann hier richtig heiß werden. Als Übernachtungsort wählen wir ein Hotel in Appolonas. Kein Apartment, sondern ein klassisches Zimmer, mit Balkon und herrlichem Blick zum Meer und einem Frühstück, das durchaus unseren lukullischen Ansprüchen genügt, mit hausgemachten Konfitüren, Kuchen und reichhaltig Belag für jeden Geschmack. Warum das erwähnt wird? Nun, Frühstück ist nicht überall auf der Insel selbstverständlich, so dass wir uns die meiste Zeit selbst versorgen. Aber hier entfällt unser morgendlicher Gang zum Bäcker, das Brühen des Kaffees und vor allem die eigene Vorratshaltung.

Apollonas ist ein kleiner, durchaus nett anzusehender Hafenort

mit familientauglichen Strandabschnitten, teils sandig – wie neben dem Hafen – oder wie vor unserem Hotel, mit Kies belegt. Baden ist möglich, Sonnen natürlich auch. Die Ortschaft bietet Geschäfte und jede Menge Tavernen, die meisten im Zentrum an der Strandpromenande gelegenen spielen allerdings atmosphärisch ins Fastfoodhafte. Gemütlichere Lokale finden sich in der zweiten Reihe oder den Nebenstraßen. Obwohl es etwas abseits liegt, ist Apollonas auch mit dem öffentlichen Bus gut erreichbar, der Halteplatz befindet sich am Ende des Hafens, dort, wo die Fischerboote ankern, also fußnah zum Ortskern.

Ganz in der Nähe des Dorfes lässt sich eine Sehenswürdigkeit besichtigen: Eine rudimentäre Kouros-Statue über 10-Meter lang, um die 2.500 Jahre alt, noch im Zustand eines nur grob vorgearbeiteten Marmorklotzes. An der Straße findet sich ein Hinweisschild auf den Fundort. Dort steigen wir die 56 Stufen in den Hügel, um einen Blick auf die Statue zu bekommen, die wohl bestellt, aber nicht bezahlt wurde und dann als Ladenhüter liegen blieb. Natürlich hat man von hier oben auch einen prächtigen Ausblick über die Umgebung.

Zwei Autostraßen – die eine führt über den Ort Mesi, die andere über Koronida – verbinden Apollonas mit der Nord-Ostregion der Insel, wo interessante Ausflugsziele liegen. Alles übrigens leicht erreichbar, wir reden über Distanzen, für die wir mit dem Wagen maximal 30 Minuten brauchen.

Die Fahrten durch die bergige Landschaft sind ein Erlebnis für sich

die gutausgebauten Straßen eröffnen viele spektakuläre Aussichten aus der Vogelperpektive bis weit über die Inselränder hinaus. Ein besonderer Anblick sind die dauergeparkenten Autoveteranen. Wahre Schätze sind darunter, etwa jahrzehntelang vor sich hin gammelnde T-Modelle von VW, die das Herz jedes Oldtimersammlers mit Restaurationsambition höher schlagen ließen, führte ihn das Schicksal in diese Gegend. Da schlummert noch Potenzial…

Koronida, das höchstgelegene Dorf auf Naxos ist einen Halt wert. In den beiden Tavernen sowie dem Café am Wegesrand, die natürlich auf der richtigen Straßenseite gebaut sind, lässt sich bei einem Kaffee trefflich pausieren und in die Ferne schauen, bis zum im Blau verschwindenden Horizont. Der Ort selbst ist typisch in seiner Anlage: verschachtelt über die Höhe angelegt, mit Kirche und weißgetünchten Häusern. Ein schönes, architektonisch verspieltes Chaos, das schon viel Einladendes und Gemütlichkeit hat.

Ebenso sehenswert ist das Bergdorf Koronas

in ein steiles Tal hinein gebaut, für das wir uns Zeit nehmen, es zu Fuß zu erforschen. Den Wagen parken wir oben, an der Durchgangsstraße und finden dann unsere Wege nach der einfachen Formel: immer nach unten steigen, aber bei den Häusern bleiben. Wir verlieren zwar selbst ein paar Mal die Orientierung, aber auf wundersame Weise erreichen wir schließlich das Ortszentrum, eine urige Platsa, mit Taverne und Bänken.

Einem Tipp von Dirk Schönrock folgend, der einen Naxosführer verfasst hat, machen wir uns auf den Rundweg durch die Gärten von Koronos nach Skado und zurück. Nebenbei, das Büchlein ist seinen Preis wert, alle Angaben sind präzise recherchiert und aktuell. Man merkt, dass der Autor eigene Erfahrungen verarbeitet und nicht auf ominöse Quellen greift, die überall hin, nur nicht zum Ziel führen. Die Anregung, einmal zwischen den Orten zu wandern, gefällt uns. Wir finden den Ausgangspunkt und folgen der Wegbeschreibung. Die knapp dreieinhalb Kilometer lange Strecke lohnt bereits wegen der verordneten Bewegung und ist technisch keine Hürde, obwohl insgesamt rund 430 Höhenmeter zu bewältigen sind. Über Gassen und Treppen gelangen wir in den Gartenbereich, der allerdings an vielen Stellen seine Schönheit eingebüßt hat. Hier hat es vor nicht allzu langer Zeit gebrannt, die Natur ist noch nicht ganz wiederhergestellt, die Pflanzen sind schwarz verkohlt. Immerhin haben wir großartige Aussichten über die Hügelwelt, freuen uns auch am Anblick der Kirchen, die wir passieren und erreichen Skado. Von dort geht es nach einer kurzen Erfrischungspause in der Taverne an der Durchgangsstraße zurück zum Ausgangspunkt unsrer kleinen Wanderung.

Im Schmirgel Land

Wir informieren uns mehr über die Region und erfahren, dass das ganze Gebiet von Koronos aus bis hinunter zur Küste früher Schmirgel-Land war. Klingt seltsam für uns, die wir Schmirgel nur in Form von beschichtetem Papier aus dem Baumarkt kennen. Tatsächlich war Schmirgel früher ein begehrter Rohstoff, der zum Träumen anregte, weil er hohe Einnahmen versprach. Gefördert mit Bergbautechnik, ging das Gemenge aus Mineralien in die ganze Welt, wo es industriell verwertet wurde. Schmirgel galt als wichtiger Wirtschaftsfaktor, nicht nur für Naxos, sondern ganz Griechenland. Der Niedergang des Schmirgelabbaus, das Material wird seit langem synthetisch gewonnen, führte zum Verlust von Arbeitsplätze und letztlich zur Verelendung der Arbeiter, von der sich die Region viele Jahre nicht erholte.

Wir durchfahren die Abbaugebiete, die aussehen, als seien sie erst vor kurzem verlassen worden. Stollen sind zu sehen, einst von Bergleuten in die Felsen getrieben. Riesige Löcher, aus denen noch die Schienen herausragen, über die in einer anderen Ära Förderwagen in die Schächte einfuhren. Auch die gewerbliche Seilbahn ins Tal liegt vor uns, als schlafe sie nur. Das ist beeindruckend, befremdlich und diese archaische Bergwerksindustrie will so gar nicht zu einer Insel passen, die sich dem Tourismus verschrieben hat.

Der Weg windet sich in langen Serpentinen herab zu einem kleinen Küstenabschnitt, der schon aus der Ferne gut erkennbar ist.

Eine Handvoll Häuser, ein Hafen, eine Bucht mit kristallblauem Wasser, sprühende Gischt: Lionas

Die Straße aus den Schmirgelbergen endet hier auf einem zentralen Parkplatz für PKWs, einen Busstop gibt es hier nicht. Dafür ein gut überschaubares Dorf, das offenbar wenig besucht wird, was durchaus ein guter Grund ist, erst recht hierher zu kommen. Den Strand erleben wir zweimal: Beim ersten Besuch als geeignet zum Baden, beim zweiten geeignet zum Gucken auf die eindrucksvolle Brandung. Der Sand ist dunkel, mit vielen Kieseln, die überraschenderweise gar nicht unbequem sind, kuschelt man sich hinein. Überhaupt, Lionas ist ein Wohlfühlort.

Es gibt freies Internet und freundlichste Begrüßung durch die Tavernen Bewirtungen. Wir entscheiden spontan, das Abendessen hier einzunehmen und wählen dafür die Taverne, gleich neben dem Meer: Douzenia.

Wenn wir irgendwo geschrieben haben, dass jeder in Griechenland am Ende seine ganz spezielle Taverne findet, dann sind wir jetzt am Ziel. Das kleine Restaurant Douzenia gefällt uns auf Anhieb. Kleine, liebevoll dekorierte saubere Tische, die gerne auch auf die Aussichtsterrasse gestellt werden, superfreundlicher Service, so als isst man wie bei alten Freunden, eine Speisekarte, die keinen Wunsch offen lässt. In der Küche kocht die Mutter, Vater Georgios lächelt freundlich und lädt gerne zu einem Ouzo ein und einer der 4 Söhne bedient uns. Das ist griechische Familiengastronomie at its best. So gut gefällt es uns hier, dass wir auch am nächsten Tag die Anfahrt gerne auf uns nehmen, um hier zu essen. Beim Sonnenuntergang in dieser Bucht.

Und damit ist eigentlich das wichtigste gesagt, was man für das Unterwegssein im Norden von Naxos braucht und wissen sollte. Sto kalo!

Naxos-City (Chora)Naxos, der SüdenNaxos, die Mitte – Naxos

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2 Gedanken zu „Naxos, der Norden

  1. Kalimera sas

    Als Griechenland-Fan schwelge ich eh in schönsten Erinnerungen von Land, Leuten, der Sprache, Mythen, Legenden, Musik und dem Kulinarischen, wenn ich Reiseberichte lese.

    Doch diese hervorragenden Zeilen und Bilder über den Norden Naxos’ stellen alles andere in den Schatten. Oooh, Apollonas, ein Kraftort mit Nostalgie, auch wenn ich sonst die Sonnenuntergangsseite, die Westküste in der Ägäis eher bevorzuge.

    Châpeau

    Liebe Grüsse aus der

    Erika Albrecht-Fässler

    • hallo Erika,

      es freut uns ungemein, dass Du unsere Seite gefunden hast und vor allem aber, dass Du “mit dem Herzen” lesen kannst. Das ist sehr speziell. Für Deinen lieben Kommentar danken wir Dir und wünschen Dir weiterhin, viel Spass an den ägäischen Kraftorten.

      Gruss aus dem jetzt bereits abkühlenden Norden
      Christiane & Aras

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