Oaxaca

Oaxaca, eine Liebe auf den dritten Blick

Oaxaca ist ein Wendepunkt in der Chronologie unserer Mexiko-Reise. Etwas ist anders als beim unbekümmerten Roadtripping in Yukatan. In der Nachbetrachtung lässt sich dieses „Etwas“ klar benennen: Wir tauchen ein in die urbane Welt Mexikos. Städte haben ja einen anderen Takt, sind kantiger und fordern mehr, als die ländlichen Regionen. Vielleicht ist das der Grund, weshalb wir uns schwerer tun, gleich einen emotionalen Zugang zu finden zur Stadt Oaxaca. Die hat um die 270.000 Einwohner und ist damit der größte Ort, den wir außerhalb Yukatans bis dahin besuchten. Oaxaca ist also nicht die Liebe auf den ersten Blick, aber nach einigen Tagen kommen wir uns näher. Und das ist nur der Auftakt, denn ab jetzt folgen (fast) nur noch Großstädte.

Erstens kommt es anders …

Ankunft gegen 9.00 Uhr im Hotel nach einer Nacht im Bus. Wer das mexikanische Gastgewerbe kennt weiß: No chance! Vor 15.00 Uhr bekommst Du dein Zimmer nie. Heute ist es anders, wir dürfen sofort in unseren Raum, was für ein Glück!

Wir wohnen übrigens am Randes des historischen Zentrums, in einem Stadtteil, der uns spontan sehr gefällt. Hier sind die Häuser niedrig, bunt, renoviert und dienen oft als Atelier oder Werkstatt für Künstler und die alternative Szene.

Es ist Sonntag. Für uns die einzige Gelegenheit, den berühmten Markt in Tlacolula zu erleben, der traditionell ein Treffpunkt von Indios aus dem Umland ist und als Sehenswürdigkeit gilt, die man nicht auslassen sollte. Der Ort liegt etwa 35 km südlich der Stadt und ist erreichbar mit den rot-weißen Colectivos. Die Fahrer quetschen gerne 5 Passagiere ins Auto und rasen los. Für den Fahrpreis von 25 Pesos erfahren wir, wie sich eine Rallyefahrt anfühlen muss, die über eine Achterbahn führt. Der schwere Unfall auf der Gegenfahrbahn scheint niemand zu berühren.

Tlacolula, der Schauplatz des Marktgeschehens, scheint ein unendlich langer Straßenschlauch, zu beiden Seiten dicht gesäumt mit Verkaufsständen. Gefüllt mit allen Konsumartikeln, die Mexiko aufbietet. Gemüse und Obst ist hier günstig wie nirgends. Überhaupt, alles was ess- und trinkbar ist, liegt im prallen Überfluss vor. Es braucht vollen körperlichen Einsatz, um im Gedrängel voran zu kommen.

Am anderen Ende liegt der überdachte Markt. Dort wird gekocht, gegrillt und gebrutzelt. Mexikaner verbinden Nützliches (einkaufen) gerne mit Angenehmen (essen). An langen Tafeln wird geschmaust und geschlemmt. Wenn das eine Sünde sein sollte, gleich nebenan ist die prächtige Kirche Santa Maria de la Asuncion fürs Seelenheil.

Das historische Zentrum Oaxacas

Großartig ist die Lage der Stadt, die vor allem bei klarem Wetter, wenn die Bergketten in der Ferne näherrücken, für sich einnimmt. Zusammen mit der gut erhaltenen Baustruktur eigentlich ein touristisches Highlight. Aber keines ohne Makel. Das beginnt beim Zocalo, dem die unbeschwerte Heiterkeit fehlt. Kein Wunder, mehr als die Hälfte der Menschen auf dem Platz sind Bedürftige. Entweder wirst du um Kleingeld angegangen oder sollst kaufen, was du nicht brauchst. Die Stimmung ist nicht aggressiv, eher fatalistisch. Die Menschen wirken apathisch. Die geballte depressive Stimmung dämpft sogar das Licht, das versucht, durch die Baumkronen zu dringen.

Tatsächlich hat Oaxaca alles, was ein Touristenherz begehrt. Bauten aus einer Gründerzeit im Wohlstand, repräsentative Straßenzüge und natürlich prächtige Sakralbauten.

Was in Yukatan die Tempel, sind hier die Kirchen. Gegen das Dauercamp der Menschen, die gegen Morde und politische Willkür, direkt vor dem Rathaus protestieren, lässt sich nichts sagen. Aber warum verbaut sich eine stolze Stadt ihr traditionelles Zentrum, immerhin Weltkulturerbe, mit ungezählten Buden von Kleinhändlern, die alle den gleichen wertlosen Tand anbieten?

Oaxaca, Stadt der Widersprüche

Immer öfter durchqueren wir bei unseren Gängen durch die Stadt Bereiche, die ans historische Zentrum angrenzen, es quasi wie einen Organismus fest umschließen. Die Frischmärkte befinden sich hier und Einkaufsviertel der wenig Begüterten. Aber auch alternative Bars und Kneipen, psychedelische Mescal-Kultur, grellfarbig, mit lauter Musik und den hippen Jungen, die hier eine alternative Szene bilden.

Krass ist der Gegensatz zum gediegen gepflegten Erbe vergangener Größe. Die urbane Gegenkultur findet sich nicht mit einem marginalen Status ab. Sie schwappt in die bürgerliche Welt in Form von provokanten Slogans und Wandbildern. Manchmal nur eindringlich, aber oft auch großartig und künstlerisch. Einmal machen wir uns auf die Suche nach bekannten Murals. Wir werden sogar fündig, müssen aber feststellen, dass Inhalte mit subversiven Botschaften nur kurze Halbwertzeiten haben. Sie werden übermalt oder verschwinden klammheimlich.

Wie auch immer, diese Vitalität des modernen Oaxaca bringt uns emotional der Stadt näher. Sogar mit dem lauten, stinkenden Verkehr schließen wir Frieden. Immerhin müssen wir im System der Einbahnstraßen nur in eine Richtung aufmerksam sein, wenn wir die Straße überqueren.

Zwar noch nicht bereit für ein Lieblingsrestaurant, haben wir dennoch einen guten kulinarischen Tipp: Essen in der Markthalle „Mercado 20 de Noviembre“. Deftig, lecker und ernährungspolitisch vorsätzlich nicht korrekt! Aber mit einer gegrillten Heuschrecke zum Nachtisch. Und warum nicht wie die Einheimischen: Mescal ist dabei, in der Tüte unterm Tisch.

Der Knoten ist geplatzt. An unserem letzten Abend erleben wir Musiker auf dem Zocalo, die sich nicht bei den Touristen anbiedern. Sie spielen für die Einheimischen auf, die dazu tanzen. Und jetzt ist die Atmosphäre gar nicht gedrückt sondern mexikanisch fröhlich.

Über die Ausflüge, die sich von Oaxaca aus gut machen lassen, also nach El Tule, Mitla, Hierve el Agua und zum Monte Albán, berichten wir hier.

Mehr von unserem Mexiko findet Ihr hier: Yukatan, Palenque, San Cristobal, Puebla, Mexico-City, Puerto Escondido,Morelia, Guanajuato

 

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