Tana Toraja

Reisetipps Tana Toraja. Eine faszinierende Region, bekannt durch den Kult um Tod und Sterben

Das Leben ist ein Tanz um den Tod

Dass der Tod als finales Ereignis unabdingbar mit dem Leben verbunden ist, mag die entscheidende Erkenntnis sein, die uns als Gattung von jeder anderen Kreatur unterscheidet. Tatsächlich würde jeder Religion der Boden entzogen, wären wir unsterblich und die meisten Philosophen arbeitslos. Der Kult ums Sterben hat die Pharaonen motiviert, Pyramiden bauen zu lassen und beim Volk der Tana Tana Toraja hat er Bräuche hervor gebracht, die uns seltsam vorkommen, weil wir ein anderes Verständnis entwickelt haben, das konsequent im Sarg-Discount endet.

Am Anfang steht auch für die Menschen in Tana Toraja die Geburt, danach geht es nur noch ums Sterben

Erst das der anderen, dann das eigene. Wer in Tana Toraja reist, hat den Totenkult automatisch auf seiner Agenda. Was liegt also näher, sich die Zusammenhänge bewusst zu machen, die in diesem Land alles und jeden bewegen?

Irgendwann stirbt jeder und solange es um Neugeborene geht, ist in Tana Toraja noch alles übersichtlich. Tote Säuglinge werden in Baumlöchern untergebracht, die im Laufe der Jahre zuwachsen, Kind und Baum werden eins. Das klingt harmonisch und könnte sogar Esoteriker begeistern.

Für alle, die ihre ersten Lebensmonate überstehen, wird Sterben nach strengeren Vorgaben abgewickelt

Wo wir beim Ableben eines Angehörigen den Bestatter beauftragen wird in Tana Toraja der Einbalsamierer gerufen. Der säubert, putzt die Leiche und macht sie haltbar. Sie wird bis zur Bestattung den Alltag der Lebenden begleiten, meist im eigenen Haus und gilt als erkrankte Person. Bis eine würdige Bestattung möglich ist, können mitunter wohl Monate vergehen. Während der kurzen Zeit unseres Aufenthaltes in Tana Toraja lernen wir allerdings keine Familie kennen, die mit Großvaters Mumie im Wohnzimmer lebt.

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, wird das Begräbnis anberaumt, ein öffentliches, soziales Ereignis. Je mehr Gäste, so der Glaube, umso besser kommt der Tote im Jenseits an. Angehörige, Freunde, Nachbarn, sogar Fremde sind gerne gesehen. Abhängig von Rang und Reichtum dauern Zeremonien bis zu 7 Tagen. Am Abend unserer Ankunft in Rantepao erfahren wir, dass am nächsten Tag in Bori ein Begräbnis angesetzt ist. Wir lassen uns von einem Guide begleiten, um Fauxpas zu vermeiden, kleiden uns dezent, schwarz geht immer, und besorgen als Gastgeschenk eine Stange Zigaretten. In Bori wühlen sich Unmengen von Leuten zum Festplatz, der ist umrahmt von typischen Toraja-Häuser und geschmückten Tribünen. Im Zentrum warten Wasserbüffel, am Rand liegen die gefesselten Säue, manche laut quiekend. Die Tiere sollen geopfert werden, riesige Bottiche stehen bereit, geschlachtete Büffel und Schweine vor Ort zu kochen.

Wir bekommen einen Platz auf einer Tribüne zugewiesen

Tee, Kaffee und Gebäck wird gereicht, wir übergeben unser Geschenk. Heute präsentieren sich Gäste und Gastgeber. Würdig schreiten sie in Gruppen um den Platz, teilweise singend und musizierend. Der Zeremonienmeister – ganz in Weiß – kündigt die Familien namentlich an, trägt auch vor, welches Geschenk sie mitbringen, meist ein Opfertier. Wer von weither kommt, besorgt seins auf dem Viehmarkt in Bolu. Die Stimmung ist für uns fremd, exotisch, archaisch. Blutige Tieropfer kennen wir nicht, drängen uns auch nicht, die Schächtungen aus nächster Nähe mitzuerleben. Das bleibt uns erspart, die Schlachtungen werden zwei Tage später durchgeführt, etwa 10 Büffel und reihenweise Schweine werden dann getötet. Obwohl ausdrücklich dazu eingeladen, werden wir nicht anwesend sein.

Verstorbene werden in ihren Särgen bestattet, in ausgehöhlten Felslöchern, Grotten oder auf Gestellen, die in Felswänden hängen. Der Formen gibt es viele, auch Begräbnishäuser sind üblich. Für die höchst gestellten Personen wird ein Megalith errichtet, eine Art Hinkelstein, der aus dem Fels gehauen wird. Allen letzten Ruhestätten gemeinsam ist die Nähe zu den Wohnorten der Nachkommen, die ihre Ahnen im Andenken halten und ehren.

Wer es sich leisten kann, postiert an der Begräbnisstelle einen Tau-Tau

Das sind lebensecht gestaltete Pupen aus Holz, die ausgestattet sind wie die Verstorbenen zu Lebzeiten, mit Kleidung, Brillen, Hüten, Schirmen, auch Gehstöcken. Die Tau-Tau sitzen oder stehen an den bekannteren Graborten in Galerien. Der Tot verbreitet keinen Schrecken, sondern verleitet zum Hinschauen. Gräber werden auch hier besucht, um sich zu Erinnern und um Geschenke zu hinterlassen. Irritierend wirken zerbrochene Särge – sie sind zum Teil viele hundert Jahre alt – Schädel und Knochen ragen ins Freie. Mit einfachen Reparaturen ist es freilich nicht getan. Jede Umbettung ist mit einem aufwändigen Fest verbunden, das bezahlt werden muss.

Das Geschäftsmodell des Totenkultes ist eine über alle Stufen teure Angelegenheit für Generationen von Nachkommen. Zeremonien, auch die einfachen, sind kostspielig, sie sollen ja beeindrucken und Prestige verschaffen. Selbst der für Sulawesi bedeutende Wirtschaftszweig des Viehhandels ist ohne das Ritual der Tieropfer kaum denkbar. Den Viehmarkt in Rantepao gäbe es ohne den Totenkult sicherlich nicht mehr.

Der Markt in Rantepao

Ein Gang über Märkte ist nicht jedes Mannes Sache, tatsächlich finden weibliche Reisende oft einen intensiveren Zugang zu Waren und der Möglichkeit, etwas davon gegen schnödes Geld einzutauschen. In Rantepao ist die Konstellation anders, hier gibt es einen echten Männer-Markt, Pasar Bolu, der etwa 3 km nördlich von Rantepao liegt. Der Wasserbüffel-Markt ist nicht zu übersehen, hunderteTiere werden dort vorgeführt. Wir bahnen unseren Weg durch das Gewimmel, von Verkäufern, Käufern und Vieh, achten dabei wohin wir den Fuß setzen, Tiere müssen halt mal müssen, und darauf, nicht von einem wedelnden Schwanz getroffen zu werden.

Die Büffel haben eine enorme Bedeutung für das Volk der Tana Tana Toraja

Büffel sind Arbeits- und Kulttier und Indikator für den sozialen Status seiner Besitzer. Kostet ein Büffel in Standardausführung umgerechnet etwa 2.000 €, muss für Tiere mit Sonderausstattung schon mal 30.000 – 40.000 € veranschlagt werden. Am teuersten sind Semi-Albinos, schwarz-weiß-gefleckte Büffel mit blauen Augen. Sie verheißen Wohlstand und Glück. Jetzt verstehen wir, warum sich auf Sulawesi so viele Skulpturen dieser Tiere befinden. Auf der Uferpromenade in Makassar war uns das aufgefallen und hat bei uns ein innerliches Kopfschütteln ausgelöst. Wir hielten das Standbild für eine Hommage an Holsteiner Milchkühe.

Neben Büffeln werden auf dem Pasar Bolu auch Schweine angeboten, viele bereits transportgerecht verschnürt. Die armen Säue liegen bewegungsunfähig auf Gestelle gefesselt oder werden an Tragestangen hängend weggetragen. Nicht weniger aufregend ist das Geflügel-Segment des Marktes. Kampfhähne sind im Angebot und um ihren Preis hochzutreiben, werden sie in Angriffslaune versetzt. Tja, ein guter Hahn setzt nicht an, die Schlanken scheinen wohl die besten Kämpfer zu sein.

Vom Viehmark gibt es einen direkten Zugang zum allgemeinen Markt, der sich in Food- und Nonfood-Sektionen gliedert

Wollte man die angebotenen Waren auflisten, ließe sich damit ein Buch füllen. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Obst, Gemüse, Trockenfrüchte, dazu alles, was die Gewässer an Essbarem hergeben, Werkzeuge, Textilien und vieles mehr. Hier kann man stundenlang herumziehen und entdeckt immer wieder etwas Neues.

Der Vieh- und Universalmarkt findet in Rantepao immer dienstags und samstags statt. Ein Treiben, das sich niemand entgehen lassen darf, der die Region besucht.

Toraja-Häuser

Welcher Toraja auch immer das erste Haus seines Volkes konstruiert haben mag, er besaß auf jeden Fall Genie und einen abgefahrenen Geschmack. Wer meint, dass sich Architektur am Prinzip “form follows function” ausrichtet, wird hier eines Besseren belehrt. Es geht nicht um Ergonomie sondern um viel mehr.

Das typische Toraja-Wohngebäude, ein Tongkonan, fällt zuerst durch die eigenwillige Form seines Daches auf. Wir haben bereits gesehen, wie die traditionellen hölzernen Lastensegler auf Sulawesi designed sind und beides, Dach und Segelschiff ähneln sich sehr. Wer von wem abgeguckt hat, wissen wir nicht. Vielleicht gibt es noch eine dritte Form, die alles andere inspiriert hat, nämlich Kopf und Gehörn des Wasserbüffels. Den gab es auf jeden Fall zuerst.

Die Häuser sind echte Hingucker

Die Geschosse ruhen auf starken Pfählen, alle Außenwände sind kunstvoll mit Schnitzereien und farbigen Toraja-Mustern verziert. Am eindrucksvollsten ist die Frontseite, die über die ganze Höhe mit Büffelhörnern behangen ist. Wenn man bedenkt, dass jedes Gehörn wenigstens einen Wert von 2.000 € darstellt und einmal nachzählt, wieviel Reihen am Giebel montiert sind, hängen dort locker um die 100.000 €. Das Haus verkündet also, wie reich seine Besitzer sind und welchen sozialen Rang sie einnehmen.

Gegenüber der Wohnhäuser finden sich parallel dazu aufgereiht kleinere Häuser derselben Bauweise, die als Reisspeicher dienen. Diese Alang sind ebenso reich verziert, aber ohne Büffelhörner.

Kult, Tradition und Wohnform wirken wie aus einem Guss, man könnte sogar an ein Gesamtkunstwerk denken.

Menschen und Landschaften

Die stark auf das Jenseits gerichteten Sitten und Gebräuche lassen vermuten, dass die Toraja einer eigenen Religionsgemeinschaft anhängen. Tatsächlich sind die meisten von ihnen aber aktive Christen, die regelmäßig am Gottesdienst ihrer Gemeinde teilnehmen. Das klingt paradox, kennen wir doch Missionierung als einen Vorgang, der indigene Glaubensvorstellungen verteufelt und nur die eine, seligmachende “Wahrheit” der frohen Botschaft gelten lässt. Auf Sulawesi haben die Pragmatiker gesiegt. Die Christen waren es zufrieden, Zulauf zu erhalten, auch um den Preis damit Praktiken zu gestatten, die nicht der reinen Lehre ihrer Bibel entsprechen. Die Toraja waren froh, in einer nichtislamischen Enklave unter dem Schutz der christlichen Kolonialherren ihren Traditionen weiter nachgehen zu können. Eine Symbiose die heute noch funktioniert: Der Klerus drückt beide Augen zu bei Tieropfer und Tau-Tau, die Toraja genießen Toleranz und liberale Lebensweise.

Die tolerante Denkweise prägt auch den Umgang mit uns Fremden

Wir fühlen uns willkommen und respektiert, können aufgrund des christlichen Hintergrundes der Bevölkerung, auch auf mehr Verständnis hoffen, als in fundamentalistisch geprägten Gebieten anderer Religionen.

Das Land der Toraja spricht uns an. Zwischen Hügeln und Wäldern fügen sich Reisfelder, pittoresque Dörfer und kultige Begräbnisstätten. Ein Land, das danach schreit, erwandert zu werden. Leider haben diesen Ruf auch die Fremdenführer verstanden, die – was das Honorar betrifft – nicht zu den günstigsten ihrer Zunft zählen. Tageshonorare von min. 30 € sprengen das örtliche Verdienstgefüge. Deswegen sollten Besucher sich trauen, auf eigene Faust unterwegs zu sein. Vielleicht für die Einführung, um sich mit einigen Spezialitäten vertraut zu machen, enagiert man den Guide einmalig, um danach unabhängig zu wandern.

Bei den kurzen Distanzen klappt es ganz gut, sogar mit den rudimentären Lageplänen, die in den Unterkünften verteilt werden

Bitte darauf achten, Wegweiser und Entfernungshinweise sind rar. Aber es gibt genügend Leute, die – nach dem Weg gefragt – gerne Auskunft geben. Wir haben auf diese Weise die Sehenswürdigkeiten in Lemo, Londa, Ke’te Kesu und einiges mehr erkundet. Anfahrten oft mit einem Bemo (Sammeltaxi), dann per pedes weiter und – wenn’s nicht anders geht – schon mal auf dem Rücksitz eines Motorrades.

In 3 Tagen schafft man es, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu besichtigen und noch einen nachhaltigen Eindruck von Land und Leuten mitzunehmen. Wer mehr möchte, sollte überlegen, eine mehrtägige Trekkingtour zu machen. Wir wollten mehr und was dabei herausgekommen ist, könnt Ihr hier nachlesen.

Bevor es vergessen wird, das Wichtigste am Schluss

Das Wetter ist in Tana Toraja ein Faktor, der immer zu berücksichtigen ist. Wir bewegen uns im Regenland. Es gibt kaum Orte, wo jährlich mehr Niederschlag herunterkommt als hier. Regenschutz, also richtiger (und nichts was nur danach aussieht) gehört ins Tagesgepäck. Dann macht eine Reise durch Tana Toraja einen Wahnsinnsspaß.

Was uns auffiel und wie wir hierher kamen.

Makassar, Bira, Sengkang, Trekking in Tana Toraja

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