Durch das Land der indischen Tamilen

Unterwegs in Tamil Nadu. Folgt uns mit dem Flugzeug nach Chennai, von dort geht es weiter meist mit Bussen, manchmal mit dem Taxi, bald auch dem Zug

Innerindische Flüge sind günstig, umkompliziert lassen den Reisenden aber auch vergessen, wie riesig das Land eigentlich ist. Deswegen ziehen wir meistens Verbindungen vor, die uns über Land führen, so bekommen wir am besten den Wandel von Landschaften und Lebensformen mit, in einem Land, das in jeder Beziehung „multi“ ist: multiethnisch, multireligiös, multikulturell.

Um Zeit zu sparen, fliegen wir von Visag nach Chennai

Die Entfernung von fast 800 km per Zug oder Bus zurückzulegen, ist eine Herausforderung, die wir uns gerne ersparen. Da die Durchschnittsgeschwindigkeit bei Reisen über Land in Indien selten schneller ist als 35 km/Std., vermeiden wir damit eine Fahrt von rund 25 Stunden.

Wie wir die Hauptstadt Tamil Nadus erleben, könnt Ihr hier nachlesen.

Ab Chennai geht es weiter über Straßen

Das ehemalige Madras hinter uns zu lassen, bricht nicht unser Herz, die Stadt ist für uns nicht das, was heute gerne als „Sehnsuchtsort“ bezeichnet wird. Natürlich absolvieren wir vorher noch unser persönliches Pflichtprogramm an Besichtigungen. Die Weiterfahrt bringt uns zunächst nach Tirupathi, das zwar in Andhra Pradesh liegt, aber für uns logistisch besser von Tamil Nadu erreichbar ist.

Ohne vorher ein Ticket gebucht zu haben, lassen wir uns früh morgens mit dem Tuktuk zum Busbahnhof bringen. Erfahrungsgemäß sind Fahrten mit Reisebussen in Indien am unkompliziertesten zu bekommen. das bestätigt sich auch heute. Wir fragen uns zum richtigen Bussteig, steigen in den wartenden Bus, verstauen im Blickkontakt mit dem Fahrer unser Gepäck und lösen unsere Tickets. 338 INR bezahlen wir, ein bißchen mehr als 4 €. Dann rumpelt es los, laut hupend, hinein in den wüsten Verkehr. Vorsorgliche Reisetabletten sind eingeworfen, die Pulsbänder gegen Seekrankheit sind ebenfalls angelegt. Lieber Hosenträger und Gürtel zugleich, als nur eine Sekunde unterschätzen, was so eine Fahrt mit dem Gleichgewichtsorgan anstellen kann; so zumindest schützt sich der männliche Part unseres Teams.

Unsere Mägen und wir überstehen die Fahrt, Tirupathi erreichen wir in rund 3,5 Stunden

Schneller als erwartet, denn unser Fahrer hat ganz einfach seinen Weg freigehupt und sich nicht von überflüssigen Verkehrsregeln das Privileg abknöpfen lassen, wonach der Lauteste und Brutalste immer Vorfahrt hat.

Unsere Eindrücke zu Tirupathi lassen sich hier nachlesen. Dort sind wir übrigens mit einem Ambassador unterwegs.

Zurück nach Tamil Nadu geht es natürlich wieder über Straße

Das Ziel, die Pilgerstadt Tiruvannamalai lässt sich leider nicht direkt erreichen. Wir müssen umsteigen. Die Etappe, mit einem Government Bus führt uns zunächst nach Vellore.

  

3 Stunden Fahrt, die erträglich sind, kosten für 2 Personen 200 INR. Die Fahrt führt durch wunderschöne Landschaft und beschert uns einen Stopp in einer ausgesprochen farbenfrohen Raststätte.

Beim Umsteigen haben wir Pech, lassen uns darauf ein, einen privat betriebenen Bus zu nutzen. Von außen schön bunt anzusehen, von innen aber genauso abgewrackt wie die staatlichen Fahrzeuge, das nimmt sich nichts. Preislich einige Rupien günstiger als die öffentliche Konkurrenz, zahlen wir 130 INR.

Dafür bekommen wir eine Fahrt wie aus dem Zombiefilm. Der Fahrer ein Untoter den nichts erschreckt

Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit rasen wir auf den schmalen Landstraßen dahin, in den Kurven schlingert und schwangt unser Gefährt bedenklich. Hinzu kommt, dass der Busbegleiter wohl in einem früheren Leben Arbeiter in einer Sardinenfabrik war. Fahrgäste – und die gibt es sprichwörtlich bei jedem Kuhfladen – werden immer aufgenommen, auch wenn man denkt, jetzt geht nichts mehr. Es wird gestopft, am Anfang noch gedrängelt bis ein massiver Block aus Leibern entsteht, und kassiert. Nicht etwa, dass Sitzplatzinhaber einen Vorteil hätten, der Verteilungsdruck wirkt 3-dimensional. So schlingern wir, mein Kopf in die Achselhöhle des Übermichgebeugten gebettet, nochmal 2,5 Stunden dem Ziel entgegen.

Tiruvannamalai verschafft uns einige Tage Erholung

Die Stadt richtet uns wieder auf, nach dem eher negativen Eindruck der letzten Pilgerstadt. Wie wir Tiruvannamalai erleben, könnt Ihr hier nachlesen.

Gleichwohl ist bis zur Weiterfahrt die prägende Erfahrung der letzten Busfahrt noch nicht ganz verblasst. Wir beschließen, mit dem Taxi zu fahren. Es geht nach Pondicherry, mit einem Zwischenstopp in Fort Gingee. Als Fahrpreis vereinbaren wir umgerechnet 32 €.

Eigentlich sind in Indien Taxis über mittlere Distanzen immer ein guter Kompromis, wenn man Busse vermeiden will, oder Zugverbindungen ins eisenbahnerische Nirvana führen. Aber jedes Ding in diesem Land hat das Potenzial, etwas Gutes zu werden, oder sich als Schuss ins eigene Bein zu erweisen. Bei Taxis entscheiden in aller Regel folgende Faktoren darüber, ob eine Fahrt gelingt, oder scheitert: Zum einen Zustand und Qualität des Fahrzeugs, zum anderen die Persönlichkeit des Fahrers. Stimmt das Karma, ist beides optimal; hapert es, müssen wir in einer anderen Existenz etwas verbrochen haben. Die Fahrt nach Pondi beschert uns einen Chauffeur, der den Mut hat, seine Defizite auszuleben: Null Kommunikation, fahrerisch eine Zumutung, laute triefende Schnupfnase. Immerhin schaffen wir es, ihn bei Fort Gingee zum Stoppen zu bringen.

Fort Gingee ist gewaltig

Wir erblicken einen Festungskomplex, errichtet auf steilen, felsigen Bergen, archaisch anmutende, dicke Mauern, stolze Zitadellen, von weithin sichtbar. Erbaut sind diese Anlagen – lesen wir nach – im 14./15. Jahrhundert. Noch heute lässt sich ahnen, welche Anstrengungen und Baukunst hier aufgewendet worden sein müssen. Es ist heiß, wir haben wenig Zeit eingeplant, deswegen verzichten wir, hinaufzusteigen und begnügen uns staunend zu schauen und setzen die Fahrt nach Pondicherry fort. Ein paar Kilometer weiter, an einer Straßenkreuzung, kommt plötzlich Farbe in unsere ansonsten doch recht langweilige Fahrt. Überall liegen hier große Berge und Säcke mit den knalligsten Farbpulvern herum, die man sich vorstellen kann. Ein aufgeregtes, lautes Rufen nach Halt vom Rücksitz bringt unser Fahrzeug zum Stoppen und unseren Fotografen in sofortige Aktion. So was haben wir noch nie gesehen.

Der Fahrer verhandelt nach

Beim Bezahlen meint unser Fahrer, der die ganze Fahrt kein Wort herausgebracht hat, an eine (Un-) Sitte aus Tamil Nadu erinnern zu müssen. Er fordert einen Nachschlag. Wir sollen sein Mittagessen bezahlen. Kein Grund, das auszudiskutieren, wir sind ja auf Unionsterritorium, da lassen wir solche Spezialitäten nicht gelten. Er bekommt nur den vereinbarten Fahrpreis. Und dann genießen wir unseren Aufenthalt in frankoindischer Umgebung. Wer Lust hat, das nachzulesen, findet unseren Bericht hier.

Damit kein falscher Eindruck entsteht, die Tage in Pondicherry verweichlichen uns nicht

Im Gegenteil, sie machen uns stark für die Weiterfahrt im Bus nach Chidambaram, eine Provinzstadt, die etwa 68 km entfernt liegt. Für den grünen Government Expressbus, Start am örtlichen Busbahnhof, bezahlen wir zusammen 84 INR, ja, gerade mal 1 €. Die Fahrt ist fast sogar angenehm, da der Bus kaum besetzt ist und nur 1 Std. 45 Min. dauert. Eine Übernachtung haben wir in Chidambaram, ein Ort der unser Interesse weckt, weil dort der einzige Tempel steht, der Shiva in seiner Erscheinungsform als Nataraj, König des Tanzes, geweiht ist. Das Bild des tanzenden Shivas ist ja weltbekannt. Was wir dort finden, berichten wir zum Nachlesen hier.

Wir bleiben für die Fahrt zum nächsten Ziel, Kumbakonam, beim Verkehrsmittel grüner Government Expressbus

Etwas kürzer ist die Strecke, dafür bezahlen wir mehr, weil diesmal die Mitnahme unserer Gepäckstücke berechnet wird. Im Ergebnis bringt uns das nicht um, der Fahrpreis ist nach wie vor unschlagbar günstig.

Wie wir Kumbakonam erleben, könnt Ihr hier nachlesen.

Bisher haben wir es nicht geschafft, mit dem Zug zu fahren. Das wird sich ändern, denn bereits in Pondi haben wir für unsere letzte Strecke in Tamil Nadu Tickets reserviert. Wie das funktioniert und was wir erleben, wird im nächsten Bericht beschrieben. Demnächst auf diesem Blog.

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