Auf dem Mekong nach Luang Prabang

Unterwegs auf dem Mekong. Begleitet uns auf eine stürmische Fahrt. 

Den Grenzübertritt nach Laos haben wir erwartungsgemäß sehr geschmeidig erlebt. Der Bus fuhr fast pünktlich von Chiang Rai über die IV. Freundschaftsbrücke zum Kontrollpunkt, setzte die Passagiere auf der thailändischen Seite ab und wartete im Niemandsland, bis alle Passagiere ihre Formalitäten erledigt hatten. Danach setzte er alle Reisenden am Einreiseschalter ab, um sie nach Zahlung der Visagebühren auf laotischer Seite wieder einzusammeln. Am Bushaltepunkt in Laos warteten dann bereits Tuk-Tuks, die für die Feinverteilung in Houai Xay sorgten.

Weiter gehen sollte es dann per Schiff, mit einem sogenannten Slow Boat

Das sind lange, flache Kähne, die im Gegensatz zu den kleinen Speed Boats, gemächlich den Mekong befahren. Unser Hotel, direkt am Fluss und fußnah zum Anleger, bot uns beste Aussicht und einen sonnigen Nachmittag. Der Ortsteil rund um den Anleger der Slow Boats ist ansonsten eher schnarchig und regt an, im eigenen Hotel zu bleiben. Um Plätze in einer der begehrten ersten Reihen auf einem Slow Boat zu bekommen, nutzten wir noch den Nachmittag und besorgten uns die Tickets für die Fahrt am nächsten Tag. Kurz vor Schalterschluss durften wir uns schon auf die Sitze 8 + 9, also ganz weit vorne, freuen.

In Houai Xay, das sei für die Chronik vermerkt, gab es übrigens das erste Lao Beer der Reise.

Das Boot sollte fahrplantechnisch um 11.00 Uhr starten

Zeit also, nach gemütlichem Frühstück rechtzeitig am Pier aufzutauchen, den Kahn zu mustern und unser Gepäck im Laderaum verstauen zu lassen. Bei ca. 100 – 120 Passagieren braucht das alles natürlich seine Zeit. Gewartet wird üblicherweise, bis der letzte Platz besetzt ist, so dass wir mit in einer – in Laos noch vertretbaren – Verspätung von schlappen 75 Minuten abfahren konnten. Und damit begann auch das Unheil.

Die Idee war, den Mekong, eine der mächtigsten und eindrucksvollsten Wasserstraßen Asiens, die von reizvollen Landschaften gesäumt wird, gemächlich im Sonnenschein hinunterzufahren. Ein Bier oder auch zwei sich kredenzen zu lassen, dolce far niente in Laos zu genießen und einfach zu entschleunigen. So der Plan, so die Erwartungen wohl aller Reisenden, von denen sich viele mit Taschen voller Bier und Schnaps auf ihre Weise vorbereitet hatten.

Wer lang genug unterwegs ist, lernt eines zuerst: Demut

Wer noch länger unterwegs ist, lernt als zweites, diese Demut niemals zu vergessen. Denn sonst kann es dich schwer erwischen und dann in aller Regel auf dem falschen Bein.

Dies war der Tag, an dem uns genau diese Erkenntnisse wieder in Erinnerung gerufen wurden. Nach etwa einer halben Stunde Fahrt, wechselte nämlich das Wetter. Aus anfänglich sanftem Regen wurden beinharte Schauer. Die Temperatur fiel innerhalb kürzester Zeit dramatisch um mindestens 15 Grad, Sturm zog auf. Wie die meisten anderen Passagiere waren wir total unvorbereitet und nur im T-Shirt und Shorts erschienen. Und – hochmütig wie fast jeder – waren die wärmeren Klamotten im Gepäck verblieben und das war unerreichbar im Laderaum verstaut. Es begann die große Zeit erst des Fröstelns und dann des brutalen Frierens.

Schmerzliche Erkenntnis: Diese Tortur würde über annähernd 6 Stunden anhalten!

Plötzlich erschien Gabriel. Gabriel öffnete seinen Beutel und verteilte Decken, wie man sie im Flugzeug bei Langstreckenflügen bekommt. Auch eine Winterjacke, die auf wunderbare Weise am unterkühlten Leib des Verfassers dieses Berichtes landete. Bitte fragt jetzt nicht, was ich geraucht oder getrunken habe oder ob ich bereits im Kältekoma vor mich hin delirierte.

Gabriel der Engel mit den Decken

Gabriel ist real existent und ein junger Reisender aus Bamberg, der tatsächlich so heißt wie der Erzengel. Er kam als einer der letzten an Bord. Deswegen hatte er seinen Rucksack bei sich behalten können und dort waren die wärmenden Textilien griffbereit. Unter andern jene Reiseplaids und besagte Jacke. Wie wir mitbekamen, gab es noch andere Reisende, die auch ihr Gepäck griffbereit hatten. Jeder der hatte, verteilte an die, die nichts hatten. Momente wie diese sind es, die man wohl ein Leben lang erinnert. Diese spontane Hilfsbereitschaft und Solidarität von Leuten, die bis dahin stur ihr eigenes Ding gemacht hatten und kaum einen Fremden grüßten, um dann in der Not aufzuwachen und einfach das Richtige zu tun.

Die Fahrt war hart und ernüchternd

Von den blühenden Landschaften an den Ufern des Mekong blieb nur die Erinnerung an die Härte der Reise und an die tolle Stimmung die trotz allem da war.

Zwischenstation war Pakbeng, ein Ort wie aus einem Westernfilm: eine Straße, gesäumt von Hotels und Lokalen. Wir hatten vorgebucht und ein recht passables Hotel gefunden, wo wir auch unsere französischen Reisebekannten wiedertrafen und einen vergnüglichen Abend verbrachten. Die Weiterfahrt erfolgte am nächsten Morgen, wieder in einem Slow Boat. Pech für alle, das Wetter war keinen Deut besser geworden. Dafür hatten sich alle Reisenden, viele erkannten wir vom Vortag wieder, besser vorbereitet. Da kaum jemand Winterkleidung bei sich hatte, waren alle irgendwie abenteuerlich bekleidet. Meist mehrere Lagen T-Shirts, Jäckchen, Hosen, Shorts und Decken übereinander angezogen. Nach dem Zwiebelprinzip, schätzungsweise 5 bis 7 Lagen. Dazu aufgeschnittene Plastiksäcke, Regenjacken, alles eben, womit sich ein menschlicher Körper in der Not bedecken lässt. Entsprechend leer waren Rucksäcke und Reisetaschen. Klar, jeder reist halt nur mit dem Nötigsten los, alles was man nicht im Koffer hat, muss auch nicht geschleppt werden.

Gleichwohl war auch diese Etappe eine Qual

Soviel Sommerklamotten kann man gar nicht übereinander drapieren, um eine Fahrt im fensterlosen Slowboat ohne Zittern die Kälte auszuhalten. Gemessene Tagestemperatur an diesem Tag: 11 Grad Celsius! Gefühlt wohl 7 Grad.

Seit unserer Ankunft in Luang Prabang erleben wir Eiseskälte und Starkregen. Die Unterkünfte sind auf diese abnorme Wettersituation genauso wenig vorbereitet wie die Reisenden. Es gibt keine beheizten Zimmer in den Hotels, die meisten Lokale sind offen gebaut und dem Wetter ausgesetzt. Alles wirkt unter solch verheerenden Bedingungen wenig einladend. Übrigens, auch hier hatten wir abends, unerwartet ein schönes kleines Erlebnis. P1160145Ein junger Franzose, der am Mekong ein Flussrestaurant betreibt, hatte am Ufer eine Feuerstelle aufgebaut und bot Glühwein an. Mit einem Paar aus der Schweiz, das auch am Feuer saß, konnten wir uns noch wundervoll unterhalten. Die beiden sind gerade mit dem Rad (!!!) auf Weltreise und haben viel zu erzählen. Solche Momente gehören dazu und lassen die negativen Gefühle wenigstens temporär in den Hintergrund verschwinden.

Irgendwie wird es schon weiter gehen in den nächsten Tagen

Manchmal fühlen wir uns ein bisschen wie Gefangene in einem warmen Bett. Dann raffen wir uns auf, um etwas zu essen zu suchen und auszutesten, ob der Regen und die Kälte sich wirklich so schlimm anfühlen, wie es vom Fenster unseres Raumes aus wirkt.

Der Wetterbericht prognostiziert eine leichte Besserung, die ab Mittwoch, dem 27. bereits einsetzen soll. Bis dahin werden wir uns wohl oder übel als Touris im Zwiebellook ein wenig in der Umgebung bewegen. Die Stadt soll sehr schön sein, heißt es. Immerhin wurde Luang Prabang schon zum Weltkulturerbe erklärt und wir gehen davon aus, dass es nicht der sagenhafte Januarregen ist, der zu diesem Prädikat geführt hat.

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